Die Geschichte um die Diskussion zur Planung auf dem Areal der Kongresshalle ist lang und desillusionierend. In vielen Jahren des Ringens um ein Ändern der Pläne haben die meisten Kontrahenten aufgegeben. Die kritische Masse scheint nicht erreicht werden zu können, damit sich das Blatt noch wendet. Die Verantwortlichen gehen vor wie eine Dampfwalze. Ignorieren Fragen und kritische Stimmen, setzen mit großer Geschwindigkeit ihre Pläne durch. Und stellen Ihre "Erfolge" sehr gekonnt in ein fantastisches Licht. Das ist Geschick und ihre Methode.
Dabei gibt es viele, die diesen Weg eben nicht für richtig halten. Der Kunsthistoriker Wolfgang Brauneis hat im Interview mit Olaf Przybilla in der SZ vom 5. April 2024 sehr klar und offen gesprochen – "Warum gerade Kunst?". Ein sehr lesenswerter Artikel. Da heißt es, dass aus denkmalpflegerischer Sicht ein ganz anderer Weg eingeschlagen werden sollte, das Konzept viele Schwachstellen hat und es sehr wohl viele qualifizierte Gegenstimmen zur aktuellen Planung gibt, sie sich aber nicht öffentlich formieren.
Es gibt einen gravierenden logischen Fehler in der aktuellen Planung. Das was da entsteht, dient nicht der Demokratie, wie es von den Verantwortlichen immer wieder behauptet wird. Die Annektierung durch die allgemeine Kunst – ohne dass ein konkreter Bezug zum Mahnmal besteht – zeichnet in der Weltöffentlichkeit das Bild eines geschichtsvergessenen, hedonistischen und traumtänzerisch sich selbst überschätzenden Deutschlands. Das ist wirklich erschütternd. Da kommt ein "Mir doch egal!" an. Ein schnoddriges, euphorisches "Da tanze ich auf den Knochen der NS-Leute" (das haben wir jetzt mehrfach gehört) ... Hallo?! Ist das der Weg auf dem irgend etwas Sinnvolles entsteht?
Es scheint, als hätte sich eine Haltung wie bei den 68ern in Auflehnung gegen den "Spießer" Hitler manifestiert. So hat es ein Künstler aus der Szene tatsächlich formuliert. Ist das nicht ganz schön befremdlich? Hitler war kein Spießer. Er war ein Massenmörder, Diktator, Menschenverachter ... Aber dieser Ausdruck "Spießer" zeigt, was der Hintergrund dieser Annektierung zu sein scheint. Eine Hypothese: Da möchten Menschen Revoluzer spielen und fühlen sich im Recht, wie bei der Besetzung der Hafenstraße in Hamburg oder bei anderen linken Bewegungen früherer Jahrzehnte. Das wäre aber im psychologischen Sinne eine Übertragung. Es hätte nichts mit dem realen Kontext zu tun. Es wäre eine Projektion und ein Anachronismus. Diese Haltung wäre aus der Zeit und aus dem Kontext gefallen.
Und abgesehen davon ist ein durch die Stadtverwaltung erlaubtes und erwünschtes Besetzen der Kongresshalle etwas ganz anderes, als wenn man sich wirklich riskiert.
Wir leben nicht in den 70er Jahren als man zurecht gegen die Spießigkeit angekämpft hat. Auch nicht in den 80er oder 90er Jahren, in denen die politisch Rechten an Bomberjacken, Springerstiefeln und Glatze erkennbar waren, als eine kulturelle Nutzung des Reichsparteitagsgeländes mit Konzerten und Subkultur als Gegenpol verständlich war. Damals gab es in der Gesellschaft viele Menschen, die die Gräueltaten der NS-Diktatur hautnah miterlebt haben. Rechtes Gedankengut war für die große Mehrheit ein Tabu. Es hat sich aber vieles an der Situation geändert und es ist wichtig die Zeichen der Zeit zu erkennen und entsprechend zu handeln.
Wir müssen uns neue Perspektiven erarbeiten. Neue Muster und Strukturen entwickeln, um nicht vom Weltgeschehen überrollt zu werden.
Heute trägt die politisch Rechte Perlenkette, weißes Hemd oder Bluse und Jeans und morpht sich damit dort hin, wo sie gesehen werden möchte. Sie will nahbar sein, schleicht sich in den Raum des Möglichen, hat aber doch Böses im Sinn. Nachweislich und dennoch bisher kaum stoppbar.
Junge Menschen haben heute kaum noch einen echten Bezug zur NS-Zeit, verspüren kaum noch Alarmsignale gegenüber der AfD, weil viele die Methoden der Manipulation gar nicht gelernt haben zu durchschauen. Kein Wunder – unsere Welt ist umgeben von Manipulation, PR-Sprech … , Verfälschungen sind omnipräsent. Das ist die Zeit in der wir heute leben. Wer ist noch in der Lage wirklich klar zu sehen und nicht banal dem Vorgegebenen zu folgen?
An dieser Stelle sollten wir anknüpfen. Es gibt eine sehr große Leerstelle in der heutigen gesellschaftlichen Wahrnehmung, die erst mühevoll wieder erschlossen werden muss.
Was geschieht mit einer Gesellschaft, die existentielle Bedrohungen nicht selbst erlebt hat? Sie nur aus den Nachrichten kennt. Immer mit einem Filter dazwischen.
An dieser Stelle kann die Kongresshalle in unseren Augen eine wichtige Rolle spielen. Hier kann durch das Verständlichmachen des Leides, das Menschen sich gegenseitig antun, mentaler Halt durch Empathie und Begreifen der Strukturen gegeben werden. Es geht um politische, psychologische und emotionale Bildung. Anknüpfungspunkte bietend, die aus heutiger Sicht verstanden werden können. Das ist notwendig. Vielleicht gibt es Workshops zum Erkennen von Suggestion und Manipulation? Workshops zum Erkennen von Gewalt, zur Konfliktlösung... Menschen- und Völkerrechte sind ein wichtiges Stichwort. Es braucht einen Raum für inspirierte, hoffnungsvolle Gedanken für den Frieden.
So eine Nutzung des Reichsparteitaggeländes wird heute regional, national und weltweit gebraucht. Das sollte das eigentliche Ziel an diesem Ort sein. Im März 2025 hatte ich (Doris Bordon) ein sehr spannendes Gespräch mit einer aktiven Demokratin aus den USA. Ich hatte ihr von unserer Initiative erzählt und habe ein sehr berührendes Feedback erhalten. Es war eine große Inspiration, meinte sie, und es hat sie ermutigt weiter gegen den Irrsinn Trumps zu kämpfen. Ist das nicht das Wichtigste, was wir tun können? Menschen zu helfen, dass sie nicht in die gleiche Falle tappen, wie unsere Nation vor über 92 Jahren?
In keinem Fall aber sollte auch noch dazu beigetragen werden, dass man keine Alarmsignale mehr verspürt, weil man ja tolle Partys in dem NS-Gebäude erleben kann. Das ist eine echte Fehlleitung. Wir leben nicht in den 70er, 80er oder 90er Jahren.
Die Welt hat sich massiv verändert und wir sollten unsere Haltung und unser Handeln neu aufstellen. Wir sollten uns mutig und mit wachen Sinnen im Jetzt positionieren. Mit einer Haltung, die sich klar für die Demokratie ausspricht und gegen den Rechtsextremismus steht.
Die aktuelle Annektierung erfolgt nicht von denjenigen, denen das Reichsparteitagsgelände in unseren Augen mental zusteht. Es sind Künstler*innen und Kulturschaffende die eine freie Kunst machen wollen. Klaro, sehr, sehr gerne! Aber bitte nicht an diesem Ort! Da gehört das einfach nicht hin. Es gibt durchaus andere Wege, die möglich sind.
Wir zitieren folgenden Dialog von einem Post der kongresshalle.nbg auf Instagram vom 27. März 2025. Das Original finden Sie hier.
Zwei Männer um die 50 stehen in einem Flur und unterhalten sich. Die Hände sind auf dem Rücken.
Die Sequenzen folgen schnell aufeinander.
Mann 1: Nürnberg hat als Stadt der Menschenrechte die Aufgabe und Verantwortung die NS-Zeit zu dokumentieren und für die Nachwelt als Abschreckung erfahrbar zu machen. In dem Zusammenhang ist es fast schon pietätlos die Kongresshalle zu einer Vergnügungsstätte umzufunktionieren.
Einblendung aus dem Off: DEIN ERNST? Z-Bau
Mann 2: Genau deshalb muss so ein Ort wieder positiv konnotiert werden, als Zeichen einer pluralistischen Gesellschaft besetzt werden und das vor allem mit Kunst und Kultur.
Mann 1: Hallo. Ich bin Steffen Zimmermann.
Mann 2: Ich bin Andi Wallner. Und wir sind dabei als Vertreter des Z-Baus. Um das zu erreichen sind wir zwei Teil der Projektgruppe zur Entwicklung der Ermöglichungsräume.
Mann 1: Ganz genau. Jetzt seh ich das auch so.
Mann 2: Weil ich eigentlich relativ schlau bin.
Mann 1: Interessant. Du hast studiert?
Mann 2: Ja.
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Die Geschichte um die Diskussion zur Planung auf dem Areal der Kongresshalle ist lang und desillusionierend. In vielen Jahren des Ringens um ein Ändern der Pläne haben die meisten Kontrahenten resigniert. Dennoch geben wir nicht auf. ...
Was die Stadt Nürnberg aktuell versucht, ist wie die Quadratur des Kreises. Es wird behauptet, dass eine künstlerisch-kulturelle Nutzung automatisch einen Gegenpol zur NS-Diktatur bildet und damit alles gut sei. Das allerdings erscheint uns wie ein sich immer wieder wiederholendes Mantra. Ein Zauberspruch, der nicht gelingen kann. ...
Luftline keinen Kilometer von der Kongresshalle entfernt befindet sich ein sehr großes freies Gelände, das zeitgleich beplant wurde: Lichtenreuth. Da wäre Platz für Kunst und Kultur gewesen. Den Kulturschaffenden wird aber eine Ausweglosigkeit vorgespielt. ...
"Man kann an diesem Ort alles spielen!" ruft HaJo Wagner laut hinaus, der Prof. Dr. ist und Leiter der Stabsstelle Ehemaliges Reichsparteitagsgelände. "Wie wäre es aber in der ersten Spielzeit mit Richard Wagners „Rienzi“ – der Lieblingsoper von Adolf Hitler, mit Franz Lehárs „Die lustige Witwe“ – der Lieblingsoperette von Adolf Hitler, und mit ...
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