Die bisherige Planung
Wie sieht die aktuelle Planung auf diesem Gelände aus?
Die Stadt Nürnberg scheint aktuell drei Nöte miteinander zu verknüpfen um damit zu ermöglichen, dass diese sich gegenseitig zur Finanzierung verhelfen:

Denkmalschutz Kongresshalle
Hohe Sanierungskosten - diese müssen dringend finanziert werden.
Operninterim
Sanierungsbedarf in der Oper – ein Ersatzgebäude im Innenhof und Nebenräumen im hufeisenförmigen Teil der Kongresshalle ist geplant.
Das klingt erst mal ganz gut, aber wie sieht es aus, wenn man genauer hinschaut?
Wie sich die Planung der Kongresshalle aktuell auf Instagram präsentiert

Das Original zu der Skizze mit dem offiziellen Rendering vom 18. Juli 2024 finden Sie hier.
kongresshalle.nbg:
Das ist er! Heute wurde der Entwurf für die neue Spielstätte des Staatstheaters Nürnberg im Kongresshallen-Innenhof der Öffentlichkeit präsentiert. Der Entwurf von Georg Reisch GmbH & Co. KG, Bad Saulgau, in Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Architekturbüro LRO GmbH & Co. KG hatte im umfangreichen Bieterverfahren die höchste Punktzahl erhalten. In der Ausschreibung zum Projekt hieß es: „Der Ergänzungsbau soll sich städtebaulich und hinsichtlich seiner Kubatur und Materialität in angemessener Weise mit dem baulichen Bestand des unvollendeten Rohbaus (Torso) der Kongresshalle auseinandersetzen und sich diesem unterordnen.“
Lest in unserem Post, wie der Entwurf diese Vorgaben umsetzt.
Foto: Georg Reisch GmbH & Co. KG
Unser Kommentar dazu (bordon_design):
Frei nach Hannah Arendt: die BanaliSIERUNG des Bösen. Es mag eine ansprechende Architektur sein. Aber sie gehört da einfach nicht hin. Das ist der Punkt. Der Innenhof der Kongresshalle DARF NICHT SALONFÄHIG werden. Das wäre Wasser auf die Mühlen der politisch Rechten. Die Stadt Nürnberg will bestimmt nicht, dass sich da die Rechtsradikalen treffen und bei Wagner Machtfantasien entwickeln. Genau dafür baut die Stadt allerdings mit traumtänzerischer Selbstüberschätzung vor.
Bei den weiteren Posts dieses Instagram-Profils findet man weitere Kommentare von uns.
Der OPERNINTERIM – der mittlerweile kein Interim mehr ist.
Kritische Fragen zur aktuellen Planung
Das Rendering, ein Euphemismus
Diese Perspektive des Renderings, mit Blick von oben über die Kongresshalle wird kein Besucher jemals einnehmen können. Das Bild strahlt dadurch allerdings etwas Weitläufiges, Harmonisches, Erbauliches aus. Wenn man den realen Standort des Ersatzgebäudes vor Ort betrachtet, findet sich nichts dergleichen. Der Klammergriff, in dem der geplante Ersatzbau in Wirklichkeit stehen würde, wird im Rendering nicht spürbar. Der Innenhof der Kongresshalle ist nicht schön. Er hat den CHARAKTER EINES GEFÄNGNISINNENHOFES. Das monströse NS-Gebäude würde die Oper massiv einengen und überlagern. Das Grün an der Fassade ist ebenso ein Euphemismus.
Es gibt einen ganz klaren Widerspruch zu der eigentlichen Aussage dieses Ortes. Der Innenhof SOLL gar nicht freundlich und einladend sein. Er SOLL das Leere, Karge, Monströse, nicht Gelungene spürbar machen. Das ist durch die Denkmalpflege so festgelegt. Auf eine uns nicht nachvollziehbare Art wird diese Vorgabe aber durch die aktuelle Planung ausgehebelt und wirkungslos gemacht. Man muss sich fragen, wie das zustande kam, wer das veranlasst hat und zu welchem Zweck.
Welche Wahrnehmung / Stimmung möchte man im Innenhof der Kongresshalle hervorrufen? In unseren Augen sollte es Erschütterung und Betroffenheit sein. Sollte stattdessen eine Oper dort stattfinden und die Menschen mit einem feierlichen Sekt im Innenhof stehen, würde das Ganze in der theatralischen Wahrnehmung zu einem mächtigen, bestaunenswerten, architektonischen Hintergrund verklärt werden. Und genau das wäre ein sehr großer Fehler.
Der Ort darf nicht salonfähig werden.
Interim? Ersatzgebäude? Kommt das wieder weg?
Es wurde lange von einem Operninterim gesprochen. Mittlerweile nicht mehr und es sollen 25 Jahre sein, an Stelle von 10 Jahren. Und das Gebäude soll auch nicht zurückgebaut werden, wie es der Denkmalschutz vorschreibt.
Wie ist es möglich, dass so wichtige Entscheidungen keinen öffentlichen Dialog erfahren?
Wie ist es möglich den Denkmalschutz so zu untergraben?
Ist es wirklich notwendig das Ersatzgebäude in den beengenden Innenhof der Kongresshalle zu zwängen und den Künster*innen und Besucher*innen einen permaneten Bezug zur NS-Dikatur aufzubürden?
Wäre es nicht viel besser einen anderen Standort dafür zu finden? Die Stadt Nürnberg tut geradezu so, als ob das die einzige Möglichkeit wäre. Wir empfinden das als unwahr und auch als künstlich inszenierte Ausweglosigkeit, die den Kreativen vorgespielt wird um ganz eigene Zwecke zu erreichen.
Die Kunst sollte sich nicht für das Finanzierungsspiel der Stadt instrumentalisieren lassen!
Was wird mit dem eigentlichen Opergebäude in mitten der Stadt geschehen?
Die Sanierungskosten sind immens – 500 Mio Euro – unseres Wissens, und es scheint auch bisher nicht geklärt zu sein wie sie finanziert werden. Wie kann es sein, dass die Finanzierung für das Ersatzgebäude schon mal voraus eilt und gleichzeitig die Planung für die ursächliche Sanierung nicht fertig gestellt wird?
Meinen die Verantwortlichen es verbindlich ernst, wenn sie davon reden, dass die Oper nach 25 Jahren wieder zurück soll in das eigentliche Operngebäude?
Wenn das Ersatzgebäude stehen bleiben soll, wer finanziert dann dessen Unterhalt auf Dauer? Das Problem des allgemeinen Kulturnotstandes wird dadurch nicht besser, es verstärkt sich sogar. Dann gibt es eine unnötige Verdoppelung der instandzuhaltenden Gebäude, ohne dass dafür eine Finanzierung gesichert ist.
Es drängen sich die Fragen auf: Wer würde im Zweifelsfall die frei gewordene Oper kaufen, und für welchen Preis? Wer wäre der Nutznießer des ganzen Projektes?
Die Kommunikation der Verantwortlichen lässt viele Fragen offen. Sie stellen sich gerne als transparent und kritikfähig dar, sind es aber leider nicht.
Umgang mit Fördergeldern
Stolz präsentierten sich die Verantwortlichen zum Baubeginn am 13. Dezember 2024 mit ihrer "größten Kulturbaustelle Europas".
WIR ZITIEREN DIE INHALTE VON DEM INSTAGRAM-POST DER KONGRESSHALLE NÜRBERG VOM 18.12.2024
(Die Quelle finden Sie hier)
"Bezogen auf das Gesamtprojekt wird die Förderquote voraussichtlich bei über 70 % liegen. Für die Spielstätte des Staatstheaters Nürnberg ist eine Förderung von 75 % durch den Freistaat Bayern beantragt. Für die Ermöglichungsräume gibt es eine Förderzusage des Bundes in Höhe von 20 Mio. Euro; aus dem Kulturfond des Freistaats Bayern sind 1,75 Mio. Euro beantragt. Die Schadstoffbeseitigung wird mit Fördermitteln in Höhe von über 6 Mio. Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) durch die Europäischen Union unterstützt. Für die Substanzerhaltung und grundsätzliche Nutzbarmachung der Kongresshalle soll der Bund die Hälfte, der Freistaat Bayern und die Stadt Nürnberg jeweils ein Viertel übernehmen. Der Bund wird sich mit 29,5 Mio. Euro engagieren, der Freistaat Bayern hat eine Förderung in Höhe von 14,75 Mio. Euro in Aussicht gestellt."
Wir setzten Folgendes entgegen:
In dieser Auflistung fehlt noch ein großer Posten: die Sanierung der Oper. 500 Mio Euro sind unseres Wissens dafür veranschlagt worden. Damit werden alleine für die Oper und das geplante Kulturareal 800 Mio Euro in Anspruch genommen. Das ist ein unglaublich großer Betrag. Wir halten diese Summe für höchst irritierend.
Gibt es nicht noch eine ganz andere Perspektive auf dieses Thema, außer der, die von den Verantwortlichen der Stadt Nürnberg dargestellt wird? Die Fördermittel von der EU, dem Bund, dem Freistaat Bayern und auch der Stadt Nürnberg sind vor allem eines: ENDLICH. Das heißt: Fließt ein sehr großer Geldbetrag in dieses Projekt, fehlt das Geld an anderer Stelle massiv. Ich wüsste nicht, wieso einen dieses Missverhältnis stolz machen sollte. Da nimmt sich jemand die gesamte Sahnetorte und will auch noch dafür bewundert werden. Ich verstehe das nicht. Es kommt mir vor wie bei Ludwig dem XIV. Hybris ist das Wort, das mir dazu einfällt. Da wird das Geld in Saus und Braus ausgegeben und der Rest ist einem egal.
Wie viele andere Kulturschaffende werden, weil kein Geld für sie übrig bleibt, in große Schwierigkeiten geraten? Spricht der Intendant der Nürnberger Oper auch mit den Verantwortlichen der Konzert- und Kongresshalle in Bamberg? Die müssen ebenso ihre Räume aufwändig sanieren lassen. Wie viele andere Bühnen auch! Gibt es keine Empathie anderen Kollegen gegenüber? Ich empfinde es als höchst unsolidarisch sich selbst zu feiern, weil man den ganzen Kuchen für sich in Anspruch nimmt und dies in keine Relation dazu setzt, dass andere auch genau deshalb nichts mehr abbekommen.
Und was ebenso wichtig ist: Die Kultur wird hier in einen permanenten Bezug zur NS-Diktatur gefesselt. Das ist weder für das Mahnmal der Kongresshalle die richtige Umgangsweise, noch für die Kultur. Da wird extrem viel Geld für ein höchst zweifelhaftes Projekt ausgegeben. Das ist für mich kein Grund zu feiern.
Ist der geplante Umgang mit Steuer- und Fördergeldern nachhaltig und sinnvoll?
Ein sehr anzweifelbares Konzept
Der Staatstheaterintendant und Operndirektor Jens-Daniel Herzog hat in einem Interview mit der SZ vom 11.2.2022 ein verführerisches Konzept entwickelt, das in unserer Wahrnehmung aber leider auch die Bodenhaftung verloren hat. Der Gast soll in alle Richtungen gedreht, gedehnt und gewendet, angehoben und mal hier und mal dort gedanklich abgestellt werden. Ein am Ende nicht begreifliches Potpourri aus Humor, Respekt und Respektlosigkeit.
So sehr wir die künstlerische Freiheit hoch halten. Wir halten es für eine Selbstüberschätzung, dass einem diese Kommunikation an diesem Ort so gelingt. Hier wurde bereits schon einmal die Bodenhaftung verloren, wurden Menschen verleitet nicht mehr selbst zu denken und nur noch der Führung zu folgen.
An diesem Ort braucht es keine Illusionisten mit Verführungskraft, hier braucht es Ehrlichkeit, Verantwortungsbewusstsein, Betroffenheit, Psychologie, Lernen-Wollen und vor allem Eines: politische Bildung hoher Qualität.
Wir sprechen dem Intendanten der Oper nicht das Recht ab einen adäquaten Platz für die Zeit der Sanierungsarbeiten der Oper zu finden, auch nicht das Recht auf diese Art illusionistischen Wirkens. Es ist wichtig und toll, dass es das gibt. Aber bitte nicht im Innenhof der Kongresshalle. Das ist nicht der richtige Ort dafür. Wagner zu spielen, wo Hitler Wagner spielen wollte, und uns allen vormachen, dass das mit Humor ja trotzdem ginge... Es geht nicht. Weil der Mensch auf diese Weise keine klare Linie erkennen kann. Die politische Rechte hat genau wegen solcher Vermischungen freien Raum um weit über das erträgliche Maß zu wachsen. Wenn uns die Demokratie wichtig ist, sollte das verhindert werden.
Es gibt einen viel sinnvolleren, nachhaltigeren und kostengünstigeren Weg.
DIE ERMÖGLICHUNGSRÄUME

„Ermöglichungsräume“ mit dem Charme einer Gefängniszelle
Grundlage der Skizze: Webseite der Stadt Nürnberg zu den Ermöglichungsräumen.
Der Text dazu ist im Original "Grundsubstanz bleibt erhalten. Es ist ein einfacher Ausbau geplant. Da der Bau unter Denkmalschutz steht, wird – auch aus Kostengründen – auf tiefgreifende Eingriffe verzichtet."
Der Begriff „Ermöglichungsräume“ ist für uns ein echter Euphemismus. Was wird in so gruseligen Räumen wie in der Kongresshalle an freier Gestaltung möglich sein? Und für wie viele Künstler? 25? Werden da nicht die Künstler nur dafür instrumentalisiert, Fördergelder zu erhalten um das Gebäude zu sanieren? Wären die Künstler nicht vielleicht viel lieber in anderen Räumen tätig, die diese Brutalität der Kongresshalle nicht in sich tragen? Darüber sollte man mal reden.
Die Planung begann mit der Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2025 und hat versucht, lokale Notlagen aufzugreifen und gemeinsam zu lösen. Wir können es verstehen, dass man es so versucht. Es ist jedoch einfach nicht die richtige Lösung gefunden worden. Sie wird dem bildungspolitischen Anspruch, den die Kongresshalle als elementar wichtiges Zeitdokument der Gräueltaten der NS-Diktatur hat, nicht gerecht. Die Wahrnehmung der Besucher wird verzerrt. Da, wo man Alarmglocken läuten hören sollte, wird man in ein künstlerisches Ambiente gezogen, das nicht auf die Aufbereitung von Gewalt abzielt, sondern ganz allgemein gehalten wird. Was geschieht da in der Wahrnehmung der Besucher*innen? Es wird einem regelrecht abtrainiert, aufmerksam auf Signale zu reagieren. Wie kann man auf diesem Weg dem politischen Rechtsruck entgegenwirken? Gar nicht. Es ist didaktisch ein sehr großer Fehler diese beiden Felder so zu vermischen. Man kann von den Künstlern der Region nicht erwarten, dass sie sich jetzt alle auf einmal dem Sujet „Gewalt“ widmen. Und wenn die Räume nur solchen Künstlern eingeräumt werden, die das Thema Gewalt bearbeiten, würde doch nicht das erreicht werden, was ursprünglich geplant war. Die allgemeine Künstlerszene der Region ginge doch wieder leer aus.

Wie muss man sich die Situation eines Künstlers vorstellen, der da arbeiten, oder ausstellen soll?
Die Räume haben den Charme einer Gefängniszelle. Die Fenster beginnen weit über der Sichthöhe und um einen herum sind nur Backsteine. Wenn jetzt der Versuch gestartet wird, die Backstein“optik“ als cool und loftartig zu verkaufen, lässt es uns erschauern. DAS IST KEIN COOLER LOFT UND AUCH KEIN HIPPER LOST PLACE. An der Kongresshalle ist gar nichts cool und das darf es auch gar nicht sein. Künstler möchten aber gerne stolz ihre Arbeit präsentieren können, ohne permanent Betroffenheit signalisieren zu müssen. Das ist ein Spannungsfeld, das in diesen Räumen offensichtlich nicht gelöst werden kann.
Die denkmalpflegerischen Auflagen aufzuweichen, indem man weitere Fenster einbaut (wie bereits angekündigt) ist auch nicht die Lösung. Das wären keine minimalen Veränderungen, wie die Planer es versuchen darzustellen. Das Gebäude würde seine Authentizität verlieren und damit auch die Schutzwürdigkeit als UNESCO Weltkulturerbe. Das darf nicht geschehen.
Es gibt einen viel sinnvolleren, kostengünstigeren Weg.
Das Rahmenprogramm
Café Arthur – ein inklusives Café für das Dokumentationszentrum
Auf dem Instagram Profil des Dokumentationszentrums und des Oberbürgermeisters Marcus König findet sich dazu dieser Post vom 16. Mai 2025:
In einem Reel zeigt der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König das Café in der Kongresshalle und spricht (wir zitieren wortwörtlich): « Hallo zusammen, dieser Ort stand für Engstirnigkeit, für Gleichförmigkeit für eine « perfekte Rasse ». Hier in dieser Kongresshalle und wir verändern diesen Ort und ich bin dankbar, dass wir das Dokumentationszentrum hier seit Jahren haben und es wird vergrößert, dass wir unsere Oper auch hier mit aufnehmen. Aber heute haben wir ein Café Arthur eröffnet. Ein Café wo wir Inklusion leben. Wo Menschen hier mitarbeiten, die eine Behinderung haben. Wir stehen jetzt für Respekt, für Vielfalt, für Inklusion. Und genau dieser Ort ist der perfekte Ansatz für das Café Arthur. Also kommen, hier gut essen und Café Arthur erleben. Es ist ein einziger artiger Ort für Vielfalt und er steht für Respekt. » Daneben steht "Ein inklusives Café für unser @dokuzentrum.nbg 🍽️ … haben wir heute eröffnet. Das Café Arthur ist benannt nach Arthur Brunner. Er war Nürnberger und wurde Opfer der sogenannten Euthanasie der Nationalsozialisten. Die @noris.inklusion, unser städtisches Inklusionsunternehmen, betreibt das Café, in dem Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten.»
Unser Kommentar zu dem Post auf Instagram ist gelöscht worden. Komplexe Sichtweisen auf komplexe Sachverhalte scheinen die Verantwortlichen des Areals nicht stehen lassen zu können. Der Kommentar ist dennoch hier lesbar:
Diese Logik stimmt leider nicht. Sie lässt etwas Wichtiges außerhalb des Blickfeldes. Dieser Ort ist keiner, an dem man lecker essen können sollte. Er sollte mit Betroffenheit verbunden sein, nicht mit lustig in der Sonne sitzen und leckere Speisen zu sich nehmen. Es ist kein Ort, den man mit positiven Erlebnissen verbinden sollte. Kein Ort, der Menschen dazu verlocken sollte nach dem Spaziergang um den Dutzendteich lecker einzukehren. Dafür gibt es bereits das Wanner / Gutmann, auf der anderen Seite des Dutzendteiches, wo auch ein genügend großer Abstand zu dem Mahnmal der Kongresshalle vorhanden ist. Wie wäre es also, würde man die Sache mal aus einer anderen Perspektive sehen, als der, die von den Verantwortlichen zu diesem Areal vorgeebnet wird?
Werden hier nicht Menschen mit Beeinträchtigung dafür instrumentalisiert um anderen Menschen zu suggerieren, dass sie an diesem historisch äußerst schwierigen Ort dennoch bedenkenlos genießen können? Um zu verharmlosen und Rechtschaffenheit zu vermitteln? Und um das Konzept des Kulturareals zu legitimieren? Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich finde die Arbeit der Noris Inklusion sehr wichtig, toll und definitiv notwendig. Aber eben nicht an diesem Ort. Wird das Personal dahingehend geschult wie es sich rechtsextremen Kommentaren gegenüber verhalten kann? Wie wahrscheinlich ist es, dass sich in diesem Café Menschen mit rechtem Gedankengut treffen um Machtfantasien auszuleben oder um zu provozieren?
Gerade sind die aktuellen Zahlen zu den politisch motivierten Gewalttaten veröffentlicht worden. Es werden erschreckend deutlich mehr. Gerade aus der rechten Szene. Wie kommen die Verantwortlichen auf den Gedanken, dass sich ausgerechnet Menschen mit Beeinträchtigung einem solchen Gewalt-Szenario aussetzen wollen? Wo genau ist die Grenze des Erträglichen? Wenn einer sagt « Hey, Spacko, mach mal schneller, ich hab Durst! » muss man das ertragen? Wie häufig werden solche Übergriffe sein? Ich halte dieses Konzept für grob fahrlässig. In jederlei Hinsicht.
An der KZ-Gedenkstätte in Flossenbürg hat sich mit dem Museumscafé Flossenbürg vor einigen Jahren bereits ein sehr ähnliches Konzept etabliert. Es scheint sehr erfolgreich zu sein. Es hat sich herum gesprochen, dass man da besonders gut brunchen kann. Viele Leute pilgern deswegen da hin. Aber ist das in irgend einer Form wünschenswert? Menschen pilgern zu ihrem Vergnügen zu einer Stätte an der andere Menschen Zwangsarbeit verrichten mussten. Zu einem Ort, an dem Menschen zu Tausenden ermordet und verbrannt worden sind… Genau da wird jetzt lecker gegessen und gefeiert. Ich kann es nicht glauben, dass so ein Konzept in heutiger Zeit noch als sinnvoll erachtet wird. Es ist die Banalisierung des Bösen. Es überspielt und ignoriert das Wesentliche an diesem Ort. Es leitet Menschen fehl.
Ein anderer Ort, ein anderes Konzept, ein echtes Vorbild.
Der Bunker Valentin bei Bremen
Woran es genau liegt, dass der Umgang mit dem Denkort Bunker Valentin bei Bremen sehr viel besser gelingt, als in Nürnberg mit der Kongresshalle, lässt sich nicht so einfach sagen. Was offensichtlich ist: in Bremen kennt und wahrt man die Grenze, die notwendig ist, um Menschen richtig zu leiten. Der Hochbunker Valentin ist während des Zweiten Weltkrieges vom NS-Regime errichtet worden. Zwangsarbeiter mussten dort unter schlimmsten Bedigungen arbeiten. Es hätten dort U-Boote in hoher Geschwindigkeit seriell fertiggestellt werden sollen. Dazu ist es nie gekommen. Ein einziger Luftangriff hat gereicht um das riesige Betongebäude irreparabel zu zerstören. Der Bunker Valentin ist ein Sinnbild für maximales Leid, maximalen Größenwahn und maximale Sinnlosigkeit.
Er ist zudem ein Lost Place par excellance. Die riesigen leeren Hallen mit darin stehendem Wasser, herabhängenden Betonbrocken und Stahlgittern haben eine sehr morbide Ästhetik. Eine Ästhetik, die mit Sicherheit Künstler anlockt. Diese düsteren Hallen wären eine fantastische Kulisse für Ausstellungen, Techno Parties, Rammstein Konzerte oder Ähnliches. Sie werden aber nicht als solche genutzt. Das ist das Wesentliche. Hier sind sich die Verantwortlichen der Grenze bewusst, die eingehalten werden muss, damit das ganze nicht fehlinterpretiert und falsch konnotiert wird. Ein fantastisches Statement. Sie tun es eben einfach nicht. An diesem Ort wird nicht die Ästhetik der NS-Diktatur gefeiert oder banalisiert, wie es in der Kongresshalle mit den coolen, loftartigen Backsteinwänden geschieht. Ja, es gibt im Denkort Bunker Valentin Kunst- und Kultur. Aber sie ist ganz klar auf die Verarbeitung der Gräueltaten fokussiert. Und nur so kann es gelingen. So sehen wir es auch. In diese Richtung versuchen wir die Verantwortlichen für die Kongresshalle in Nürnberg seit Mai 2024 zu steuern. Ohne jegliche Resonanz. Ohne irgend ein Innehalten oder Nachdenken zu bewirken.
Wenn Sie Interesse gewonnen haben sich über den Denkort Bunker Valentin zu informieren, können wir Ihnen folgende Dokumentation empfehlen: "Hitlers U-Boot-Fabrik – Bunker Valentin" in der Mediathek von ZDFinfo
Es wäre sehr wünschenswert, wenn auch in Bayern ein guter Umgang mit dem Mahnmal der Kongresshalle gefunden werden würde.
Die allgemeine Kunst- und Kultur an einem solchen Ort zu platzieren, ohne dass ein echter Bezug zu dem Ort besteht, wie es in der Kongresshalle in Nürnberg durch die Umnutzung aktuell getan wird, ist ein großer Fehler. Der allgemeinen Kunst- und Kultur auch noch die Aufgabe zu heilen oder zu transformieren zuzuschreiben, wie die Verantwortlichen es offensichtlich tuen, zeugt von einer unterkomplexen Sichtweise, wie der Kunsthistoriker Wolfgang Brauneis es richtig zu benennen weiß ("Warum gerade Kunst?", SZ vom 5. April 2024).
Statements
Die Diskussion um die Planung
Die Geschichte um die Diskussion zur Planung auf dem Areal der Kongresshalle ist lang und desillusionierend. In vielen Jahren des Ringens um ein Ändern der Pläne haben die meisten Kontrahenten resigniert. Dennoch geben wir nicht auf. ...
Die Quadratur des Kreises
Was die Stadt Nürnberg aktuell versucht, ist wie die Quadratur des Kreises. Es wird behauptet, dass eine künstlerisch-kulturelle Nutzung automatisch einen Gegenpol zur NS-Diktatur bildet und damit alles gut sei. Das allerdings erscheint uns wie ein sich immer wieder wiederholendes Mantra. Ein Zauberspruch, der nicht gelingen kann. ...
Die vorgespielte Ausweglosigkeit
Luftline keinen Kilometer von der Kongresshalle entfernt befindet sich ein sehr großes freies Gelände, das zeitgleich beplant wurde: Lichtenreuth. Da wäre Platz für Kunst und Kultur gewesen. Den Kulturschaffenden wird aber eine Ausweglosigkeit vorgespielt. ...
Ist das Kunstfreiheit, oder kann das weg?
"Man kann an diesem Ort alles spielen!" ruft HaJo Wagner laut hinaus, der Prof. Dr. ist und Leiter der Stabsstelle Ehemaliges Reichsparteitagsgelände. "Wie wäre es aber in der ersten Spielzeit mit Richard Wagners „Rienzi“ – der Lieblingsoper von Adolf Hitler, mit Franz Lehárs „Die lustige Witwe“ – der Lieblingsoperette von Adolf Hitler, und mit ...